Interview mit Rechtsanwalt Reime: „Wie schützen sich Anleger vor betrügerischen Finanzplattformen?“

Interview mit Rechtsanwalt Reime: „Wie schützen sich Anleger vor betrügerischen Finanzplattformen?“

Veröffentlicht:

Freitag, 17.01.2025
von Red. LF

Moderator: Herr Reime, die BaFin hat gleich mehrere Warnmeldungen veröffentlicht – etwa zu Plattformen wie fortunex-algo.com, kesslerkoch.org und capitus.pro. Was bedeutet die Häufung solcher Fälle?

Rechtsanwalt Reime: Die Häufung solcher Warnungen zeigt, dass betrügerische Finanzplattformen ein systematisches Problem darstellen. Diese Anbieter operieren häufig international, nutzen immer wieder neue Domains und agieren unter dem Deckmantel vermeintlicher Seriosität. Es ist ein sehr großes Problem, denn die Plattformen zielen gezielt auf Anleger ab, die nach sicheren Geldanlagen oder schnellen Renditen suchen, und lassen sie oft mit erheblichen finanziellen Verlusten zurück.

Moderator: Was macht diese Plattformen so gefährlich für Anleger?

Reime: Das Problem ist die Perfektion, mit der diese Betrüger arbeiten. Die Websites wirken oft hochprofessionell, die Inhalte sind durchdacht, und sie locken mit scheinbar sicheren Angeboten wie Festgeldern oder algorithmischen Handelsstrategien. Doch in Wahrheit agieren diese Anbieter ohne behördliche Erlaubnis, wie die BaFin klarstellt.

Zudem täuschen manche Plattformen vor, von bekannten Behörden reguliert zu sein – wie im Fall von DepotWelt, wo fälschlicherweise behauptet wurde, man sei von der zypriotischen Finanzaufsicht CySEC reguliert. Besonders problematisch ist auch der Identitätsdiebstahl, wie bei kesslerkoch.org, wo der Name eines existierenden Wertpapierinstituts missbraucht wurde, um Anleger zu täuschen.

Moderator: Wie können Anleger solche unseriösen Plattformen erkennen?

Reime: Es gibt einige Warnsignale, die Anleger beachten sollten:

  1. Fehlende behördliche Zulassung: Ein Anbieter, der Finanz- oder Wertpapierdienstleistungen in Deutschland anbietet, benötigt die Genehmigung der BaFin. Diese kann jeder Anleger in der BaFin-Unternehmensdatenbank prüfen. Fehlt die Zulassung, ist Vorsicht geboten.
  2. Unrealistische Renditeversprechen: Betrügerische Plattformen werben oft mit garantierten hohen Renditen bei minimalem Risiko. Solche Versprechen gibt es in der seriösen Finanzwelt schlicht nicht.
  3. Mangelhafte Transparenz: Ein Impressum mit unklaren oder falschen Angaben, wechselnde Domains und inaktive Handelsregistereinträge – wie bei Capital Horizon – sind klare Hinweise auf Betrug.
  4. Aggressive Verkaufsstrategien: Manche Plattformen üben Druck auf Anleger aus, schnell zu investieren, beispielsweise mit zeitlich begrenzten Angeboten. Seriöse Anbieter geben Kunden die Zeit, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Moderator: Die BaFin hebt hervor, dass viele dieser Plattformen nach behördlichen Maßnahmen unter neuen Domains wieder auftauchen. Was können Anleger in solchen Fällen tun?

Reime: Genau, das ist ein bekanntes Muster. Ein aktuelles Beispiel ist Capitus, dessen ursprüngliche Domain capitus.net inzwischen geschlossen wurde, woraufhin die Betreiber unter capitus.pro einfach weitermachen. Anleger sollten hier besonders wachsam sein.

Die wichtigste Vorsichtsmaßnahme ist, die BaFin-Warnmeldungen regelmäßig zu lesen. Die BaFin bietet eine öffentlich zugängliche Liste von Anbietern, vor denen sie warnt. Wer auf eine neue Plattform stößt, sollte die Warnhinweise überprüfen und sich gegebenenfalls direkt bei der BaFin oder einem Experten informieren.

Moderator: Was sollten Anleger tun, wenn sie den Verdacht haben, dass sie auf eine betrügerische Plattform hereingefallen sind?

Reime: Wer den Verdacht hat, Opfer eines Betrugs geworden zu sein, sollte sofort handeln:

  1. Kontaktieren Sie die Polizei oder melden Sie den Fall bei der BaFin. Es ist wichtig, die Behörden schnell einzuschalten, um mögliche Spuren zu sichern.
  2. Holen Sie sich rechtliche Unterstützung: Ein erfahrener Anwalt kann prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, das investierte Geld zurückzuholen – auch wenn dies oft schwierig ist, da viele dieser Plattformen im Ausland agieren.
  3. Warnen Sie andere Anleger: Melden Sie den Fall in Finanzforen oder bei Verbraucherschutzorganisationen, damit andere nicht in die gleiche Falle tappen.

Moderator: Welche präventiven Maßnahmen empfehlen Sie Anlegern, um sich vor solchen Betrügereien zu schützen?

Reime: Prävention ist hier das A und O. Anleger sollten vor jeder Investition die folgenden Schritte beachten:

  1. Überprüfen Sie die Regulierung: Nutzen Sie die Unternehmensdatenbank der BaFin oder kontaktieren Sie die Behörde, um sicherzustellen, dass der Anbieter eine gültige Zulassung hat.
  2. Informieren Sie sich gründlich: Schauen Sie sich den Anbieter genau an – inklusive Impressum, Unternehmenssitz und möglicher Bewertungen oder Warnungen.
  3. Bleiben Sie skeptisch: Lassen Sie sich nicht von Versprechungen über „schnelles Geld“ oder hohe Renditen blenden. Seriöse Anbieter sprechen immer auch über Risiken.
  4. Zögern Sie nicht, Fragen zu stellen: Ein seriöser Anbieter wird Ihnen immer klare Antworten geben und keinen Druck ausüben, schnell zu investieren.

Moderator: Abschließend: Was ist Ihre wichtigste Botschaft an Anleger?

Reime: Anleger sollten sich immer bewusst sein, dass hohe Renditen immer mit Risiken verbunden sind. Sobald ein Angebot zu gut klingt, um wahr zu sein, sollte man stutzig werden. Eine gründliche Prüfung des Anbieters ist essenziell, und im Zweifel ist es besser, die Finger von einer Investition zu lassen, als einem Betrüger auf den Leim zu gehen. Es ist auch wichtig, die Warnungen der BaFin ernst zu nehmen – sie sind ein wertvolles Instrument, um sich vor Schäden zu schützen.

Moderator: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre wertvollen Einblicke und Tipps.

Reime: Vielen Dank, ich hoffe, dass wir damit einige Anleger sensibilisieren können. Bleiben Sie wachsam!