Frage: Herr Reime, die BaFin warnt vor betrügerischen WhatsApp-Gruppen, in denen unter dem Namen „STL Strategie“ bzw. „STLSTE“ angebliche Finanzdienstleistungen angeboten werden. Was ist aus juristischer Sicht an diesem Fall besonders brisant?
Rechtsanwalt Reime: Der Fall ist ein klassisches Beispiel für Identitätsmissbrauch in Verbindung mit unerlaubten Finanzgeschäften. Die Täter täuschen gezielt vor, sie seien mit der renommierten US-Investmentgesellschaft Stifel Financial Corp. verbunden – was schlichtweg falsch ist. Die BaFin hat eindeutig klargestellt, dass das Unternehmen weder in Deutschland registriert noch lizenziert ist. Für Anleger bedeutet das: Jede angebliche Anlage über diese Plattform ist mit extremem Risiko verbunden.
Frage: Wie genau gehen die Täter vor?
Reime: Die Masche läuft meist über WhatsApp-Gruppen, in denen durch intensive Kommunikation ein gewisser Gruppenzwang aufgebaut wird. Dort werden vermeintlich lukrative Anlageempfehlungen verbreitet – oft unter dem Deckmantel von KI-gestützten Systemen oder „sicheren“ Finanzinstrumenten. Anleger werden dann zur Installation einer App namens STLSTE verleitet und sollen Einzahlungen auf ausländische Konten – in diesem Fall in Madrid – vornehmen. In der App werden dann Scheingewinne angezeigt. Tatsächlich aber kommt es nie zu Auszahlungen.
Frage: Welche rechtlichen Verstöße liegen aus Ihrer Sicht vor?
Reime: Zum einen liegt ein klarer Verstoß gegen das Kreditwesengesetz vor – Finanzdienstleistungen dürfen in Deutschland nur mit Genehmigung der BaFin erbracht werden. Hier fehlt jegliche Lizenz. Zudem handelt es sich um Betrug nach § 263 StGB und um eine Täuschung über Tatsachen mit dem Ziel der Vermögensschädigung. Je nach Ausgestaltung kommt auch Geldwäsche in Betracht, vor allem, wenn Zahlungen über komplexe Kontostrukturen im Ausland verschleiert werden.
Frage: Wie können sich Anleger schützen, bevor sie in solche Fallen tappen?
Reime: Der erste und wichtigste Schritt ist: Immer prüfen, ob der Anbieter von der BaFin lizenziert ist. Dafür gibt es eine öffentlich zugängliche Unternehmensdatenbank. Dann gilt: Angebote über Messenger-Dienste, bei denen es keine ordentlichen Geschäftsadressen, keine Impressumsdaten und keine greifbaren Verantwortlichen gibt, sollte man grundsätzlich meiden. Und verspricht ein Anbieter hohe Gewinne ohne Risiko, ist größte Vorsicht geboten.
Frage: Viele Anleger erkennen das Problem oft erst, wenn das Geld weg ist. Was können sie dann tun?
Reime: Zunächst sollte man unverzüglich Strafanzeige bei der Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft erstatten. Gleichzeitig empfehle ich, die eigene Bank oder den Zahlungsdienstleister zu informieren – in Einzelfällen ist eine Rückbuchung noch möglich. Es kann auch sinnvoll sein, sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen, um gemeinsam rechtliche Schritte einzuleiten. Wichtig ist: Nicht aus Scham schweigen, sondern schnell handeln und juristischen Rat einholen.
Frage: Ist es möglich, Schadensersatz zu bekommen?
Reime: In der Praxis ist das oft schwierig, weil die Täter meist im Ausland sitzen und die Spur des Geldes verschleiert wird. Dennoch gibt es Möglichkeiten – etwa bei Banken oder Zahlungsdienstleistern, die Sorgfaltspflichten verletzt haben. Auch zivilrechtliche Verfahren gegen Mittelsmänner oder Plattformbetreiber können Erfolg haben. Es hängt vom Einzelfall ab – eine Prüfung lohnt sich.
Frage: Was empfehlen Sie als langfristige Vorsorgestrategie?
Reime: Anleger sollten sich grundsätzlich nur an regulierte Anbieter wenden, möglichst mit deutschem oder europäischem Sitz. Außerdem ist Medienkompetenz entscheidend: Man muss lernen, digitale Inhalte kritisch zu hinterfragen – gerade in sozialen Netzwerken und Messengern. Und: Lieber zweimal nachfragen als auf schnelle Gewinne hereinfallen. Wer unsicher ist, sollte vorab juristischen oder bankfachlichen Rat einholen.
Frage: Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch.
Rechtsanwalt Reime: Gern. Bleiben Sie wachsam – gerade im digitalen Raum.