Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit eines 30-jährigen Wiederkaufsrechts der Gemeinde

Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit eines 30-jährigen Wiederkaufsrechts der Gemeinde

Veröffentlicht:

Montag, 19.12.2022
von Red. WP

Urteil vom 16. Dezember 2022 – V ZR 144/21

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass eine Gemeinde nicht gegen das Erfordernis eines angemessenen Planungsvertrags verstößt, wenn sie sich beim Verkauf eines zu bebauenden Grundstücks an einen privaten Erwerber im Rahmen eines Erschließungsvertrags zum angemessenen Marktwert ein Rückkaufsrecht vorbehält, wenn der Erwerber nicht innerhalb von acht Jahren ein Wohngebäude auf dem Grundstück errichtet. Dies gilt auch dann, wenn es keine vertragliche Frist für die Ausübung des Rücknahmerechts gibt und es daher innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

Sachverhalt:

Mit Kaufvertrag vom 21. Januar 1994 erwarb der Beklagte von der Klägerin ein in einer Marktgemeinde in Bayern gelegenes Grundstück zum Preis von 59 472 DM. Das war ein marktgerechter Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren nach dem Kaufdatum ein bezugsfertiges Wohngebäude gemäß den Bestimmungen des Bebauungsplans zu errichten. Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht innerhalb der angegebenen Frist errichtet oder das vereinbarte Grundstück ohne Zustimmung des Klägers unbebaut weiterverkauft wird, verpflichtet sich die Beklagte, das Eigentum an dem Grundstück auf Verlangen kosten- und lastenfrei an den Kläger zurückzuübertragen, und zwar gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises, sonstiger gemäß der Vertragsurkunde gezahlter Beträge und der nachweisbaren Kosten der zwischenzeitlich durchgeführten Arbeiten. In diesem Fall musste der Kläger keine Zinsen zahlen. In der Folgezeit errichtete der Beklagte kein Wohngebäude. Mit Schreiben vom 14. November 2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie von ihrem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Auf die Revision des Klägers hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das übergeordnete Bezirksgericht zurück. Dies beruht auf den folgenden Überlegungen:

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des gesamten Vorgangs darf das Entgelt nicht außer Verhältnis zu Bedeutung und Wert der von der Behörde – hier der antragstellenden Gemeinde – erbrachten oder noch zu erbringenden Leistung stehen und die vertragliche Übernahme von Verpflichtungen darf nicht zu einer übermäßigen Belastung des Vertragspartners führen. Nach diesem Maßstab erweist sich das Rückkaufsrecht des Klägers auch unter Berücksichtigung der 30-jährigen Ausübungsfrist nicht als unangemessen. Erschließungspflichten wie die vorliegende dienen dem heilsamen Zweck der Stadtplanung, die (rechtzeitige) Verwirklichung der städtebaulichen Ziele zu sichern oder zu fördern und spekulative Grundstücksgeschäfte zu verhindern. Daher ist es nicht per se verwerflich, wenn eine Gemeinde ein in einem Bebauungsplangebiet gelegenes Grundstück nur gegen eine Erschließungsverpflichtung an einen privaten Erwerber verkauft und diese Verpflichtung im Falle eines Verstoßes mit einem Rückkaufsrecht absichert.

Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setzt auch nicht voraus, dass die Grundstücke unter dem Marktwert an den Erwerber verkauft werden, zumal die Gemeinden aufgrund beihilfe- und haushaltsrechtlicher Bestimmungen in der Regel keine Grundstücke unter dem Marktwert verkaufen dürfen. Die Verpflichtung, das Grundstück gemäß den Bestimmungen des Bebauungsplans zu bebauen, stellt für den Erwerber eines Grundstücks in einem Erschließungsgebiet normalerweise keine erhebliche Belastung dar. Denn in der Regel will er das Grundstück ohnehin bebauen und muss die Bestimmungen des Bebauungsplans einhalten. Auch der vereinbarte Entwicklungszeitraum von acht Jahren ist nicht unangemessen kurz.

Auch der vereinbarte Rückkaufpreis macht die Regelung nicht unangemessen. Grundsätzlich ist es nicht unangemessen, den Preis, zu dem die Immobilie verkauft wurde, als Wiederverkaufspreis auszuhandeln, da dies mit der gesetzlichen Zweifelsregel vereinbar ist. Die Tatsache, dass der ursprüngliche Kaufpreis nicht verzinst wird, steht im Einklang mit der Tatsache, dass der Käufer seinerseits nicht verpflichtet ist, den erhaltenen Vorteil an den Verkäufer (und an den Käufer im Rahmen des Heimfalls) zurückzugeben.

Schließlich ist auch die Vereinbarung des Rückgaberechts nicht unangemessen, da für dessen Ausübung keine Frist vorgesehen ist und somit die gesetzliche 30-Jahres-Frist gilt. Denn im Rahmen des § 11(2) BauGB sind die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. Auch die Länge der gesetzlichen Frist ist kein einseitiger Vorteil für die Gemeinde und ein Nachteil für den Erwerber. Denn sie ermöglicht es der Gemeinde, im Einzelfall flexibel zu reagieren, indem sie beispielsweise die Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung für einen Erwerber verlängert, der sich unverschuldet in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Bei einer kürzeren Frist für die Ausübung des Rechts ist die Gemeinde hingegen gezwungen, dieses Recht sofort auszuüben, oder zumindest sofort, um es nicht zu verlieren. Andernfalls müsste für die Bauverpflichtung von Anfang an ein kürzerer Zeitraum vorgesehen werden, um nach ihrem Ablauf genügend Zeit für die Prüfung weiterer Maßnahmen zu haben. Beide Optionen wären für die betroffenen Käufer nachteilig.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Unangemessenheit der fraglichen Regelung auch nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu den Fristen für die Ausübung des Rücknahmerechts nach dem so genannten Einheimischenmodell“ ableiten. Damit soll es den Einwohnern ermöglicht werden, Bauland zu erschwinglichen Preisen zu erwerben, die in der Regel deutlich unter dem Marktwert in Gemeinden liegen, in denen eine starke Nachfrage nach Bauland von Interessenten außerhalb der Gemeinde besteht. Dies ist nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die Vorzugserwerber den auf dem Grundstück zu errichtenden Wohnraum für eine gewisse Zeit selbst nutzen und nicht durch einen möglichst raschen Weiterverkauf des reduzierten Baulandes zum Marktwert oder durch eine Verpachtung an Dritte einen Gewinn auf Kosten der Allgemeinheit erzielen. Vertragliche Regelungen, die entsprechende Verpflichtungen begründen, schaffen daher nur öffentlich-rechtliche Voraussetzungen für die Bereitstellung von Bauland zu einem niedrigen Preis. Da die Verpflichtung des Käufers im Einheimischenmodell dem abgezinsten Kaufpreis des Grundstücks entspricht, hängt die zulässige Bindungsdauer von der Höhe des Abschlags ab.

Die im vorliegenden Fall zu prüfende Regelung unterscheidet sich wesentlich von dem Verkauf von Grundstücken im Rahmen des lokalen Modells. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, eine langfristige Verpflichtung einzugehen, die nur durch einen angemessen hohen Zuschuss gerechtfertigt werden könnte. Er ist bzw. war verpflichtet, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ein Wohngebäude zu errichten, das dem Bebauungsplan entspricht. Wäre er dieser Verpflichtung nachgekommen, wäre das Rückkaufsrecht des Klägers erloschen oder nicht entstanden. Der Entwicklungszeitraum war auch kein Mindestzeitraum, so dass der Beklagte nicht für einen Zeitraum von acht Jahren „gebunden“ war. Vielmehr hätte er das Grundstück unmittelbar nach Abschluss des Kaufvertrags und Erteilung der Baugenehmigung bebauen können, wodurch das Rückkaufsrecht erloschen wäre. Außerdem konnte er, anders als beim üblichen Einheimischenmodell, nach der Erschließung frei über das Grundstück verfügen.

Die Regelung über das Rückgaberecht des Klägers verstößt auch nicht gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung, da sie keine Härtefallregelungen vorsieht. Die Gemeinde ist bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte auch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, da sie als öffentliches Unternehmen den Grundsätzen des privaten Verwaltungsrechts unterliegt. Es war daher Sache der Klägerin, im Rahmen ihres Ermessens zu prüfen, ob die Ausübung des Rücknahmerechts zur Sicherung des von ihr verfolgten Ziels erforderlich war oder ob sie eine vermeidbare Härte darstellte. Die Umstände, die die Klägerin hätten veranlassen müssen, von der Ausübung des Rücknahmerechts abzusehen, sind im vorliegenden Fall nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich; der bloße Zeitablauf seit Ablauf der Bauzeit reicht dafür nicht aus, da die Beklagte auch nach Ablauf der Frist nicht gebaut hat.

Der Bundesgerichtshof konnte jedoch nicht in der Sache entscheiden, weil das Berufungsgericht – logischerweise – noch keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Geschäftsführer der Klägerin, der die Ausübung des Rücknahmerechts erklärt hatte, zu dieser Erklärung befugt war. Daher kann die Wirksamkeit der Erklärung im Rechtsmittelverfahren nicht abschließend beurteilt werden.